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Das Inferno von 1929

Mit dem Crash kam das Elend - Kein Vergleich zu heute

Tatort Wall Street. Das Unwetter bricht an zwei Tagen herein, die man später als "schwarzen" nennen wird: am Donnerstag, dem 24. Oktober 1929. Alle Welt will die Aktien, deren Kurse fast zehn Jahre gestiegen waren, um jeden Preis losschlagen, selbst um den geringsten. Die Telegraphen-Büros sind überlastet. Verzweifelt versuchen Kunden ihre Börsenmakler zu erreichen. Das Parkett der Börse ist knietief mit Fernschreibstreifen bedeckt. Kurz vor Mittag finden zahlreiche Aktien zu keinem Preis mehr Käufer. Die Wall Street , das Finanzzentrum der Welt ist paralysiert.

Chronisten beschreiben den Zustand als Inferno. Es ist der Beginn der großen Depression von 1929 bis 1931. Eine Massenhysterie, die in der Geschichte ihresgleichen sucht., hatte Millionen von Anlegern ergriffen und ins Elend gestürzt, nachdem zuvor selbst Arbeiter und Dienstmädchen - von einem vermeintlich "ewigen Kursanstieg" gelockt - mit all Ihren Ersparnissen zu Aktionären geworden waren. Nun verlor eine ganze Nation den Traum vom mühelosen Reichtum und Millionen Menschen verloren ihre Existenz. Banken zogen ihre Kredite ab. Die Zinsen schossen empor. Der Wall-Street-Crash infizierte die ganze Welt. Im Deutschen Reich werden im Winter 1931/32 sechs Millionen Arbeitslose gezählt.

Die Parallelen zu heute sind verführerisch aber töricht.

Erstens: Die USA wie auch Deutschland befanden sich in einem wirtschaftlichen Abschwung. Um zu retten, was zu retten war, griffen die Industrieländer zu Handelsbeschränkungen. Man wollte sich durch Autarkie von der Krise abkoppeln. Das drosselte den Welthandel und zerschnitt viele blühende Geschäftsbeziehungen. In der Folge brachen auch im Deutschen Reich Unternehmen und Banken zusammen.

Zweitens: Die Weltwirtschaft wurden in einem sich selbst verstärkendenden Strudel gerissen. Staaten kürzten ihre Budgets, drosselten also zusätzlich die Kaufkraft, obgleich das Gegenteil richtig gewesen wäre. Löhne und Preise sanken dramatisch. Die Volkseinkommen schrumpften um ein Drittel. Dem finanziellen folgte das soziale Elend. Keines Symptome liegen heute vor.

Drittens: 1929 kaufte man Aktien vor allem auf Kredit. Das ist heute die Ausnahme. In den 20er Jahren wollte man mit folgenden Tricks reich werden: Wer eine Aktie für 100 Doller kaufte, brauchte nur zehn bis 20 Dollar einzuschießen, den Rest finanzierte der Börsenmakler vor. Für diesen Betrag wurde die Aktien als Sicherheit akzeptiert. Und da sie ständig im Kurs stieg, blähten sich Kredite und Buchgewinne auf. Als die Kurse zu bröckeln begannen, forderten Makler und Banken von ihren Kunden die Nachschüsse, also 80 bis 90 Dollar je 100-Dollar-Aktie. Das löste weiter Verkäufe zur Geldbeschaffung und damit eine Kettenreaktion aus. Für viele Sparer war es der Todesstoß.

Viertens: Von 1929 bis 1931 schrumpfte der Welthandel, heute wächst er stetig. Die wichtigsten Industrienationen außer Japan zeigen stabile Aufschwungdaten: Wirtschaftswachstum, niedrige Inflation und Zinsen, wachsende Volkseinkommen.

Fünftens: Die Finanzpolitik hat aus 1929 gelernt. Heute existiert ein weltweites Krisenmanagement, so ungeschickt es bisweilen taktieren mag. Auch die Geldpolitik hat Lehren gezogen. Damals reagierten die Zentralbanken mit Geldentzug. Heute wird darüber nachgedacht, durch Zinssenkungen ausreichend billiges Geld bereitzustellen. Heute wissen die Politiker, das sich niemand am Zopf seines Nachbarn aus dem Sumpf ziehen oder durch Handelskriege retten kann. Es gibt so etwas wie die globalisierte Vernunft.

Von Peter Gillies, im Hamburger Abendblatt im November 1998 erschienen.

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